WAS IST HIER PASSIERT? Auf der Autobahn fängt alles an in „Alle Jahre wieder“, dem Film. Nach einigen kurzen, fast touristischen Momentaufnahmen von Münster und den Münsteranern (die Schamoni im Spätsommer 1966 gedreht hatte) fährt ein BMW 1800 TI („Turismo Internazionale“) auf die fast leere Autobahn. Auf der Tonspur läuft „Alle Jahre wieder“, das Lied. Der BMW fährt durch eine Unterführung, danach über eine Brücke, dazu läuft der Vorspann. Nach einem Schnitt sehen wir die beiden Personen im Auto in einer „halbnahen Zweier“-Einstellung: Am Steuer sitzt Hannes Lücke, neben ihm seine Freundin Inge.

WO? Autobahn 1 bei Abfahrt Hagen-West, GPS-Koordinaten (Dezimalsystem): 51.39008, 7.44066

WAS IST HEUTE ZU SEHEN? Die Autobahn ist nun drei- statt zweispurig, dem massiv erhöhten Verkehrsaufkommen und den größeren Fahrzeugen wegen, die Brücke zu Beginn verbreitert, die nächste Brücke abgerissen worden, die danach noch die alte, aber mit einem neuen Sprossen-Geländer versehen. Die Unterführung aber ist unverändert, mit Ausnahme der neuen Lampen, aber man hat den damaligen Standstreifen in die dritte Fahrspur umgewandelt – was nicht passt wird passend gemacht, auch auf der Autobahn. Oben drauf sind das alte Stellwerk und der Schornstein abgerissen, der Lastverkehr hat sich auf die Straßen verlagert. Einige der Oberleitungsmasten stehen immerhin noch, aber sind etwas versetzt. Sie ist übrigens (nur) deshalb so leer auf unseren Fotos, weil wir sie im Corona-Frühling 2020 aufgenommen haben.

Kann eine Autobahnfahrt auf der Leinwand etwas hermachen? Oh ja, sagt der Filmwissenschaftler Tobias Haupts und weist auf die Kargheit der Autobahn hin, „die das Schwarz-Weiß des Films noch zu verdoppeln scheint“.  Und betont den Musikeinsatz, wenn die jazzige Fassung des titelgebenden Weihnachtsliedklassikers der traditionellen Interpretation Platz macht, als der BMW in die Unterführung einfährt: „als hätte das Auto und mit ihm seine Insassen eine unsichtbare Linie überquert, hinter der ‚Alle Jahre wieder‘ so gesungen wird, wie es eben seit allen Jahren gesungen wurde, die Tradition also noch intakt ist.“  Die Linie zum bieder-katholischen Münster, meint Ulrich Schamoni. Oh ja, sagt auch so mancher Münsteraner Filmfan, von denen gleich zwei auf unsere Frage nach ihrer persönlichen Lieblingsszene die Autobahn genannt haben: ein „Eisenbahnfreund“, der uns bittet, „auch diese Szene zu wiederholen, denn den Rangierbahnhof als solchen gibt es immerhin noch (als einen der wenigen in Deutschland noch verbliebenen)!“ Und ein anderer, der sich in die „Fahrt auf der leeren Autobahn“ verguckt hat.

EINEN AUSFLUG WERT? Das muss jede*r selbst entscheiden. Gegenüber der Auffahrt gibt’s Einrichtungs- und Lebensmittelmärkte und einen großen Sportartikel-Store. Und einen Drive-In einer großen Fastfood-Kette. Was Schamoni und sein Team eigentlich in Hagen gemacht haben und warum sie gerade diese Auffahrt sich ausgesucht haben und keine der 2000 anderen, haben wir übrigens nicht herausfinden können. Vielleicht war es ja das Stellwerk über der Unterführung, das letztlich den Ausschlag gegeben hat…

UND ALLES WEITERE? Auf 352 Seiten im „Alle Jahre wieder in Münster-Buch unter https://www.aschendorff-buchverlag.de/detailview?no=24736.

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1 Kommentar

  1. Vielen Dank für die Berücksichtigung der Szene aus Hagen! Besagter Eisenbahnfreund war nämlich ich. Vielleicht sollte hier noch imText der Name des Rangierbahnhofs (Rbf) erwähnt werden: Hagen-Vorhalle. Ursache des Abrisses des Stellwerks Ym+Ymr und der Änderungen an der Fahrleitungsanlage war hier allerdings nicht die insgesamt natürlich zutreffende Güterverkehrsverlagerung auf die Straße, sondern die Modernisierung des Bahnhofes wenige Jahre nach dieser Aufnahme (um 1969/1970). Wenige Jahre nach einer erneuten Modernisierung um die Jahrtausendwende drohte tatsächlich auch die Stillegung dieses Rbf, scheint aber jetzt vom Tisch zu sein!

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